Der Bestand im Vergänglichen
Raimund Antonius Beckmann ist Architekt;
seine Arbeiten wurden in vielen Architekturwettbewerben mit Preisen ausgezeichnet. – Er studierte an den technischen Universitäten von Graz und Hannover Architektur, Kunstgeschichte und künstlerische Gestaltung. – Sein Selbstverständnis für kreative Prozesse wuchs darüber hinaus durch intensive Begegnungen mit bildenden Künstlern im Rahmen seiner Planungen für den Neubau der Kunstakademie Münster.
Als Professor für Städtebau, Stadtbaugeschichte und Entwerfen wurde Beckmann durch Hochschul-Exkursionen und private Reisen zum Stadtwanderer und mit seiner Kamera zum Forscher nach dem Bestand im Vergänglichen. Seine Fotos sind Bildausschnitte von Plakatwänden in Paris, Florenz, London u.a. und durch seinen Blick zu Bildern geworden.
Sie zeigen die aufgedeckten Schichten von Geschehnissen, die – im Dialog mit dem Betrachter – ihren Bestand in der Reflexion finden. Die durch Zufälle und Wettereinwirkung freigelegten Schichten sind – im Gegensatz zu den Bildmontagen der Collagenkunst – durch Abrisse entstanden, also Demontagen und somit DeCollagen.
Der fotografische Blick „zwischen die Zeiten“ hält die Schnelllebigkeit der Wahrnehmungen fest: Ein Spiel der Kontraste und Ergänzungen. – Mit der Gleichzeitigkeit der sich überlagernden Zeitschichten setzt Raimund A. Beckmann die Wahrnehmungen der Einzelschichten in Relation und schafft so Raum für die Phantasie des Betrachters und für eigene Interpretationen.
Die Natur schreibt das Epos vom Werden und Vergehen im jährlichen Turnus immer wieder neu. Erneuerung und Wiederkehr sind die verläßlichen Garanten des Bestandes im Vergänglichen. – Der Mensch lebt mit dieser Erfahrung des Blühens und Welkens kämpft aber trotzdem um Dauerhaftigkeit, Nachhaltigkeit und „ewige Jugend“.
Wir halten in Stand, um unsere Werke im Bestand zu sichern – doch ist dieser Kampf gegen die Vergänglichkeit zu gewinnen?
Archäologen suchen Antworten in der Vergangenheit; sie legen Schichten frei, decken auf und begeben sich auf Spurensuche. – Das Vergehen in die fortschreitende Zeit einordnen, die Spuren zuordnen, den Restbestand suchen, auf Fundamente stoßen, Gewissheit finden.
„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern.“
und: Plakatwände. Was bleibt sind Textfetzen – verhallte Botschaften – überholte Nachrichten – doch: durch Abriss mutierend zu neuen Aussagen, zu Bildern von heute.
Marianne Lohmann – 2017